Ulshar

ulshar

Wir sind Ulshar, die Söhne Ulons!
Wir erschufen ein Reich, welches seit den Tagen des alten Imperiums nicht mehr gesehen wurde und seinesgleichen sucht auf allen Teilen der Welt! Wir einten alle edlen Fürsten unter einer Krone, wir brachten ihnen Reichtum und Frieden und führten ihre Geschlechter zu immerwährender Blüte!

Prächtig sind unsere Ländereien, unsere Städte gedeihen, unsere Händler sind so fett wie unsere Wiesen!
Die Anmut unserer Damen wird besungen, ihre Schönheit strahlt wie die Gestirne des Himmels, lieblich wie Honig und süßer Wein!
Die Ehrenzeichen an unseren Wappen sind ohne Zahl, gefürchtet ist unser gepanzerter Arm! Schwer beladen mit Ruhm sind unsere Waffen und Farben, doch ungebeugt und aufrecht!...

Und wer es wagt uns herauszufordern, dem gilt Warnung!
Denn er wird mit Krieg überzogen, so lange und mit solcher Heeresmacht, das seine Erben ihren Ahn noch in tausend Jahren verfluchen werden!
Denn wir sind Ulshar, Erben Ulons!

(Text vorlesen lassen mp3/ ogg)

Aus den gesammelten Reisetagebüchern des Uberto Soranzo, reisender Händler und Erbe des Soranzo Vermögens, Aquilia

Wie froh bin ich doch, liebes Tagebuch, dass ich diesen Eintrag mit einfacher Tinte niederschreiben darf, wo doch Blut beinahe der Saft gewesen wäre, der dir von meinem Besuch im Herzland, im Fürstentum Ulshar, berichtet hätte. Doch lass mich diese spannende Geschichte von Anfang an erzählen!

Mein treuer Wagenzug hatte gerade die nasse Lebensader Aquiliens hinter sich gelassen und durfte nun am Horizont schon die wogenden und unermesslichen Kornfelder Ulshars bewundern. Wie ein Meer aus wallendem Gold lag das Herzland Lethes in seiner ganzen Kraft und Blüte! An dieser Stelle unserer Reise spürten wir das Brodeln des Bürgerkriegs noch nicht, sonst hätten wir wohl auch die Haie gesehen, die nun in diesem Meer lauerten. Mein Weg sollte mich bei jenem Besuch nicht einmal in die ruhmreiche Hauptstadt Ulon führen, die bei aller Sprachfertigkeit nicht anders beschrieben werden kann, als die lebendigste Festung, die sich der wache Verstand ersinnen kann! Nein, meine Route führte zwar an ähnlich vielen Zollstationen, Geldeintreibern für den Erhalt der Straße und regelrechten Patrouillen von Beamten aus den Diensten der Gaugrafen vorbei, dass man durchaus annehmen könnte, dass man sich auf der Straße zur Hauptstadt befand. Wer in Ulshar als Fremder zu Geld kommen will, muss zunächst einmal investieren. Ziel meiner Reise war ein entlegenes Dorf im Norden des Landes, in dem das beste Korn im ganzen Königreich zu einem unverschämt günstigen Preis für mich zurückgehalten wurde!

Auf derart guten Straßen vergeht die Zeit wie im Flug, liebes Tagebuch, und so erreichten wir unseren Bestimmungsort schon nach wenigen Tagen. Zurückblickend, auch hier noch kein Zeichen für die kommenden Streitigkeiten im Land. Im Dorf selbst war die Stimmung heiter und gut, erschreckend heiter, wenn man bedenkt, wie unsagbar alt die Menschen in diesem Dorf waren! Liebes Tagebuch, ich respektiere die älteren Damen und Herren wie jeder Edelmann aus gutem Elternhaus, auch wenn insbesondere mich, ob meines feinen gesellschaftlichen Sinnes, die kleinen Eigenheiten und vor allem Eigenarten der rüstigen Menschen Lethes ganz besonders ins Auge stechen. Und ich meine Stechen wie in Bienenstich. Der Krämer bei dem ich das Korn kaufte, die Lastenschlepper, die mir aufladen halfen, ja sogar der Dorfbüttel hatten allesamt ihre besten Sommer schon lange hinter sich gelassen. Lass mich von den Frauen gar nicht erst anfangen. Meine Güte, hoffentlich liest das meine liebe Großmutter niemals!

Meine Wagen waren nach einiger Zeit schließlich beladen, als sich eine Geschichte vor meinen Augen abspielte, wie sie mir wohl außerhalb Ulshars niemand glauben würde. Es begann wie in einer billigen Abenteuergeschichte, als unter lautem Hufgetrappel eine Gruppe von leicht gerüsteten Reitern in das Dorf preschte. Ihre Pferde wieherten laut auf, als auf dem Dorfplatz ihre Runden drehten, vom Pferd aus nach Marktständen traten und gehässig lachten. Mir blieb beinahe das Herz stehen, denn seien wir ehrlich, liebes Tagebuch, wenn auch nur eine Person in Ulshar an diesem Tag nach fetter Beute aussah, dann bei aller Liebe wohl ich! Doch keiner dieser Halunken sollte seinen schartigen Säbel an diesem Tag gegen mich erheben können.

Wo soll ich nur beginnen zu erzählen? Es ging alles so furchtbar schnell, dass ich noch Minuten danach wähnte, dass alles nur ein Traum oder ein schlechter Scherz gewesen war!

Wie auf ein ausgemachtes Signal, ich schätze es war exakt der Moment, in dem einer der Banditen sein krummes Langmesser aus der Lederscheide zog, legte das gesamte Dorf wo es stand seine Arbeit nieder und verschwand in den Gassen und Häusertüren. Da standen innerhalb eines Atemzuges wirklich nur noch diese Rauhbeine und ich auf der Hauptstraße, die das Dorf in zwei Hälften teilte! Ihre Blicke rissen schon an meiner goldenen Siegelkette. Einer nahm sogar seinen schäbigen Hut ab, wohl um Platz für den meinen zu schaffen! Ich betone, liebes Tagebuch, dass ich trotz meiner zahlenmäßigen Unterlegenheit zumindest nach meinem Dolch tastete! Darauf lasse ich mir auch nichts kommen. Leider hatte gerade diese, von mir doch als heroisch gedeutete Geste für helles Gelächter unter meinen Feinden in spe gesorgt. Doch dieses blieb ihnen sogleich im Halse stecken:

Aus allen Türen und Gassen kamen die Dorfbewohner zurück, langsam, fürwahr, doch in Reih und Glied, mit allerhand Waffen behangen! Einige schlüpften noch im Laufen in Kettenhemden oder zurrten an den Lederriemen ihrer Plattenteile. Ich konnte sogar einige Helme mit Offiziersschmuck sehen, die jeweils ihre Trupps anführten. Du merkst, liebes Tagebuch, wie irrwitzig diese Geschichte klingt, aber es kommt noch besser. Es gab Krieg! Offiziere bellten Befehle, Kampformationen wurden eingenommen, von irgendwo flogen Speere in Richtung der Reiter, Pferde warfen ihre Reiter ab, die von heranrückenden, nun, eher heranschlurfenden Schlachtreihen verzehrt wurden. Ich selbst war wie gelähmt und stand als stummer Beobachter am Rand dieses Schauspiels, das so schnell vorbei war, wie es begonnen hatte: Die Banditen waren nicht mehr.

Die Offiziere der rüstig rostigen Armee bellten ein letztes Mal, ich selbst verstand kein Wort, doch alle um mich herum schienen nur auf dieses, nun, Signal vielleicht, gewartet zu haben. Helme wurden abgenommen, einige Leute schlugen sich lachend auf die Schulter, machten Witze oder streckten einfach nur die gebeugten Rücken. Viele schüttelten sich die Hand, wie nach einem gelungenen Geschäft! Und dann, als wäre nichts gewesen, kehrte der Alltag wieder ein. Der einzige Beweis der Schlacht waren die abgeschlachteten Kadaver der Ruhestörer auf dem Platz, deren rotes Blut vor sich hin dampfte. Mit offenem Mund folgten meine Blicke den Männern, die sie unter großer Anstrengung vom Platz schleiften. Die Stille unterbrach schließlich der Krämer, der nun ohne Offiziershelm, aber sichtlich besprenkelt mit Feindesblut, wieder an seinen Laden herantrat und mich mit der Stimme meines eigenen Großvaters fragte, ob ich auch gedient hätte.

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